Flüchtlinge

Erste Kontakte mit Flüchtlingen 

Elfi Elliot, 2. Vorsitzende Kinder- und Jugendzirkus Wannabe e.V. Neu-Isenburg



Wir sind der Kinder- und Jugendzirkus Wannabe e.V. aus Neu-Isenburg. Wir sind keine Kinder- und Jugendfarm, haben aber engen Kontakt mit den hessischen Farmen. Beim letzten hessischen Treffen des AJAH (Arbeitskreis der Jugendfarmen und Abenteuerspielplätze in Hessen) am 14.11.2015 in Darmstadt haben wir über unsere Erfahrungen mit den Flüchtlingen gesprochen:

In Neu-Isenburg gibt es seit Anfang September eine Erstaufnahmeeinrichtung für 700 Flüchtlinge, davon ca. 180 Kinder und Jugendliche. Kurz nach der Eröffnung der Einrichtung rief der Bürgermeister bei uns an und bat uns, uns um die jungen Flüchtlinge zu kümmern, damit sie aus der Enge der Unterkunft kommen. Wir waren anfangs sehr naiv, machten mit dem Betreiber der Einrichtung einen Besuch auf unserem Gelände aus. Nur 6 Stunden vorher rief das Regierungspräsidium an, dass sie nicht die Erlaubnis dafür geben, da sie Sorge hatten, dass der Rest der Flüchtlinge, die nicht mit durften, aggressiv würden.

Der nächste Besuch auf unserem Gelände wurde besser organisiert! Wir arbeiten seitdem eng mit der Flüchtlingshilfe und der DITIB, der islamischen Gemeinde, zusammen. Das klappt wunderbar und ist sehr hilfreich.

Beim ersten Treffen kamen 100 Flüchtlinge auf unser Gelände, Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Wir holten die Menschen mit privaten Autos ab, aber der Transport gestaltete sich als sehr schwierig: Du machst die Autotür auf und schon sitzen viel zu viele Leute übereinander gestapelt in deinem Auto und warten, dass es los geht. Wir hatten nicht genügend Übersetzer, die überall erklären konnten, dass dies in Deutschland nicht geht, dass man sich anschnallen muss…. Das war ein Erlebnis, gleich zu Beginn des Besuches! Wir hatten Kuchen gerichtet, für jeden 1 Stück. Die Flüchtlinge liefen zum Esszelt und griffen soviel Kuchen, wie sie nur mitnehmen konnten. Es war uns nicht möglich, zu erklären, dass wir gerne hätten, dass geteilt wird. Wenige Familien aßen den Kuchen, der für alle gedacht war…

Dann gab es eine Show mit unseren Zirkuskindern. Eine Trainerin zeigte eine Luftakrobatiknummer, sie hatte einen engen Body an. Ich fragte ein Mitglied der islamischen Gemeinde, ob dies ein Problem sei. Er freute sich, dass ich dies im Bewusstsein hatte und sagte: Es wäre schön, wenn sie das nächste Mal ein T-Shirt drüber zieht. Das macht diese Treffen aus, dass beide Seiten sich im Bewusstsein haben und aufeinander zugehen.

Nach der Show holten wir dann die Flüchtlingskinder- und Jugendlichen in die Manege und sie durften selbst die Zirkuskünste ausprobieren. Das war ein Riesenspaß mit ganz viel Freude und Lachen und Leichtigkeit.

Nach diesem Besuch war die gesamte Wiese übersät mit Abfall. Wir hatten viel Arbeit, das wieder alles sauber zu bekommen. Dies sind Dinge, die sich aus den verschiedenen Kulturen ergeben. Offen und flexibel sein ist hier sehr wichtig, nicht gleich verurteilen…. Wir baten die Übersetzer, das nächste Mal zu erklären, dass Abfall in die Mülltonnen kommt. Das klappte gut.

Bei einem anderen Treffen wurden alle Stelzen (aus Holz, zum Anschnallen) und ein kleines Motorrad kaputt gemacht. Dies geschah aber aus dem Unvermögen, miteinander reden zu können, es waren viel zu wenig Übersetzer dabei….

Aus diesen Erfahrungen lernten wir. Wir machten dann nur noch Besuche mit 25 Kindern und deren Angehörigen aus, maximal 50 Personen, und stellten nur noch unverwüstliche Zirkusrequisiten zur Verfügung. Da gab es bei einem Besuch fast eine Schlägerei von jungen Männern. Die älteren Männer schlichteten den Streit und man konnte fühlen, dass sie ein gutes Bild hinterlassen wollten.

Tee und Kuchen bekommen wir inzwischen in ausreichenden Mengen gesponsert. Wir stellen den Teekocher ins Zelt, alle Erwachsenen setzen sich drum herum und genießen diese Atmosphäre um die Teekochstelle. Sie sitzen da – und es ist spürbar, dass sie warten - warten auf eine gute/bessere Zukunft?

Wenige sprechen englisch, die ehrenamtlichen Übersetzer können oft nicht bei den Treffen dabei sein. Da wir Erwachsenen und unsere Zirkuskinder/Jugendlichen sich nicht verbal verständigen können, sind wir auf unsere Kreativität angewiesen. Wir sprechen mit Händen und Füßen - und mit dem Herzen. Dies ist besonders für unsere Zirkuskinder/Jugendlichen eine wichtige Erfahrung. So verhindern wir Rassismus und Fremdenhass. Es fließt ganz viel Liebe und Fürsorge von unseren Kindern/Jugendlichen zu den Flüchtlingen und wir werden mit ganz viel Liebe und Dankbarkeit belohnt. Diese Treffen machen uns offen für das Fremde.

 Vieles ist befremdlich. Oftmals haben wir Erwachsenen das Gefühl, 'die können sich nicht benehmen'. So schwammen nach jedem Treffen leere Wasserflaschen in unseren Dixie- Clos, die wir dann rausfischen mussten…. Im Gespräch mit der Flüchtlingshilfe wurde klar, dass es in diesen Ländern gar kein Toilettenpapier gibt und man sich nur mit Wasser säubert. Also stellten wir beim nächsten Treffen Wasser in und vor die Toiletten….

Diese Treffen sind für alle eine Bereicherung, ein Einblick in fremde Kulturen. Je mehr Treffen stattfinden, umso mehr Verständnis füreinander ist da. Die Treffen werden ruhiger. Unsere Zirkuskinder- und Jugendlichen nehmen sich alle den Nachmittag frei, wenn sie wissen, die Flüchtlinge kommen wieder. Sie lieben es, dabei zu sein, weil man viel Lachen, Freude und Dankbarkeit erlebt. Und fürs Leben lernt……

Ein Brief eines unserer Zirkusmädels zu den Besuchen der Flüchtlinge:

Als die Flüchtlinge das erste Mal kamen, hat es mir sehr viel Spaß gemacht, mit ihnen zu sein und auch, diese Leute kennen zu lernen. Am Anfang war es ein wenig komisch mit der Verständigung, da wir es über die Sprache versucht haben, aber nach einer halben Stunde haben wir gemerkt, dass man sich auch über andere Mittel verständigen kann. Zum Beispiel über das Zeigen oder eine Zeichensprache. Ich finde, es hat total gut geklappt, sich mit den Menschen so zu verständigen. Außerdem waren Kinder dabei, die einen wirklich überrascht haben. Ein Junge zum Beispiel, dem wir erklärt haben, wie man am Tuch hoch klettern kann, hat es zum Beispiel nur kopfüber geschafft, hochzuklettern. Es waren ganz viele Menschen mit anderen Begabungen da und es war toll, zu sehen, wie begeistert sie waren, das alles auszuprobieren. Mir hat dabei auch so gut gefallen, dass sie sich alle gefreut haben und andauernd am Lachen waren. Ich denke, dass es sehr vielen Kindern und auch Vereinskindern ganz viel Spaß gemacht hat. Außerdem haben sich alle auf diesen Tag gefreut, die neuen Menschen kennen zu lernen und mit ihnen schöne Stunden zu verbringen. Für mich war das auf jeden Fall eine tolle Erfahrung und ich freue mich auf das nächste Treffen mit ihnen und bin gerne wieder dabei.


Elfi Elliot, 2. Vorsitzende Kinder- und Jugendzirkus Wannabe e.V. Neu-Isenburg